W. Meichtry u.a.(Hrsg.): Mani Matter (1936 –1972)

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Titel
Mani Matter (1936 –1972).


Herausgeber
Meichtry, Wilfried; Meyer Pascale
Erschienen
Oberhofen 2011: Zytglogge Verlag
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Samuel Mumenthaler

«Das Singen ist das Beste an mir, so wenig es ist», heisst es in einem Tagebucheintrag von Hans Peter «Mani» Matter. Dass er, der das Singen ursprünglich eher nebenbei betrieben hatte, zu einer der wichtigsten Schweizer Stimmen des 20. Jahrhunderts avancieren sollte, hätte Matter wohl kaum erwartet. Als der promovierte Jurist und Staatsrechtler die eingangs zitierten Zeilen im bewegten Jahr 1968 in sein Cambridge Notizheft schrieb, arbeitete er an einer Habilitationsschrift mit dem Titel Die pluralistische Staatstheorie. Heute, 40 Jahre nach seinem jähen Unfalltod im November 1972 auf dem Weg zu einem Konzert, ist Matter zu einer Art Ikone der Berner Mundartkultur geworden. Zahlreiche Publikationen von und über Mani Matter wurden posthum veröffentlicht; neben Liederbändern, Sudelbüchern und dem bereits erwähnten Cambridge Notizheft liegen auch wissenschaftliche Werke und persönliche Würdigungen vor. Matters Tonträger verkaufen sich noch heute in ansprechenden Zahlen, die einheimische Rockszene zollte ihm unter anderem mit dem Sampler Matter-Rock (1992) Tribut, ein abendfüllender Dokumentarfilm spürte dem Phänomen Matter nach.

Im Jahr 2011 wurde Matter gar zum Publikumsmagnet, dank einer Ausstellung im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich, die von Wilfried Meichtry und Pascale Meyer kuratiert wurde. Mittlerweile ist diese Ausstellung «heimgekehrt» und wird noch bis zum 13. Januar 2013 in einer leicht adaptierten Form im Historischen Museum Bern gezeigt.

Der zur Ausstellung vorgelegte Band Mani Matter 1936 – 1972 ist nicht einfach ein Katalog, sondern wirft eigene Streiflichter auf die vielseitigen Facetten von Mani Matter. Die Herausgeber gehen dabei gleich vor wie bei der Konzeption der Ausstellung und arbeiten so, wie es Mani Matter selber in seinen Chansons tat: Sie verdichten und verknappen die Informationen und versuchen aus der Reduktion einen Mehrwert zu schaffen. Die Ko-Ausstellungsleiterin und Historikerin Pascale Meyer zeichnet die «langen» 1960er-Jahre (von den späten Fünfzigern bis zu den frühen 1970er-Jahren) nach, die prägend waren für Matter und sein Oeuvre: Eine zerrissene Epoche zwischen dem verblassenden Landi-Geist und modernistischen Strömungen, durchgeschüttelt von jugendkulturellen «Revolutionen», denen der Humanist Matter zwar mit Interesse begegnete, die er aber ebenso hinterfragte wie die bürgerlichen Konventionen. Der Historiker Wilfried Meichtry, der Mani Matters beim Schweizerischen Literaturarchiv deponierten Nachlass sichtete und auch einen Austausch mit Matters Ehefrau Joy pflegte, spürt dem Denker Mani Matter nach, dem die philosophischen Erkenntnisse eines Ludwig Wittgenstein ebenso geläufig waren wie die alternativen Staatsmodelle von Harold Laski. Die deutsche Autorin Felicitas Hoppe wiederum erklärt ihre spontane «Liebesaffäre» mit Mani Matters Liedern, der Literaturwissenschaftler Martin Stingelin analysiert die Handwerkskunst des selbstdeklarierten «Värslischmids», während dessen Freund Franz Hohler einen persönlichen Blick auf Matters künstlerischen Nachlass und dessen Allgegenwärtigkeit wirft.

Der Band zur Ausstellung wird ergänzt mit einer Kollektion von Fotografien, von denen bisher erstaunlich wenige an die Öffentlichkeit gefunden haben. Verdankenswerterweise ist dem Buch auch eine CD beigelegt, die einige von Matters Chansons mit originalen Tondokumenten und Wolf Biermanns musikalischer Hommage Der Mani Matter aus Bern vereint.

Wer Mani Matter bereits gut kennt, wird in diesem schmalen Band zwar wenig Neues entdecken. Doch gerade die knappe Darstellung seines Lebens und Werks, die auch den Juristen und Intellektuellen nicht auslässt, ist eine willkommene Bereicherung der bereits greifbaren Publikationen über Berns bekanntesten Troubadour. Was nun noch fehlt, ist eine umfassende und kritische Biographie Matters, die tiefere Einblicke in seine Persönlichkeit, seine Beziehungen und Freundschaften gewährt. Von Wilfried Meichtry, der sich intensiv mit Matters Leben und Schaffen auseinandergesetzt hat, ist bereits eine Biographie angekündigt. Sie könnte diese Lücke schliessen.

Zitierweise:
Samuel Mumenthaler: Rezension zu: Meichtry, Wilfried; Meyer Pascale (Hrsg.): Mani Matter (1936 –1972). Ca. 80 S., mit zahlreichen Fotos und einer CD. Oberhofen: Zytglogge Verlag 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 4, 2012, S. 62-64.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 4, 2012, S. 62-64.

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